Offener Brief an den Kommunalen Arbeitgeberverband Thüringen e.V.

Wir wollen unsere Erzieher_innen zurück!

 

Sehr verehrte Frau Donath,

in der vergangenen Woche haben Sie mir, als Reaktion auf ein Radiointerview von mir als Vorsitzende der Thüringer Landeselternvertretung,  Ihre Stellungnahme zu den Streiks der Erzieher_innen zugesandt. Dort sprechen Sie von Informationsdefiziten bei Eltern. Diesen Vorwurf weise ich entschieden zurück!

Stattdessen ist mir aufgefallen, dass Sie scheinbar mit irreführenden Zahlen operieren. So vergleichen Sie doch anscheinend gezielt Äpfel mit Birnen und setzen z.B.  das Einstiegsgehalt von S 10 mit dem Endgehalt von S 6 in Bezug.

Sie argumentieren, man könne im Kita-Bereich ein Brutto-Entgelt von bis zu 4.748,69 € erzielen. Ja, das stimmt. Allerdings handelt es sich dabei um die Endstufe der Gehaltsgruppe S 17. Die Zahl der Beschäftigten in Kindertagesstätten, die das in Thüringen verdienen, dürfte an den Fingern einer Hand abzuzählen sein. Es gibt in Thüringen insgesamt nur ca. 260 Kindertagessstätten mit mehr als 100 Kindern. Soweit es um den „normalen“ Kita-Bereich geht, wird nach S 17 bezahlt, wer eine Kita mit einer Durchschnittsbelegung von mindestens 180 Plätzen leitet. Die Endstufe, also die Stufe 6, wird (frühestens) im 18. Berufsjahr erreicht.

Die „normale“ Erzieher_in mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Beschäftigte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausübt, wird derzeit mit S 6 eingruppiert. Das bedeutet aktuell ein Einstiegsgehalt von 2.366,68 € Brutto und in der Endstufe 6, die auch hier frühestens im 18. Berufsjahr erreicht wird, ein Gehalt von 3.389,06 €. Ab dem 5. Berufsjahr hat man die Stufe 4, was 2.946,46 € bedeutet. Wohlgemerkt, alles auf der Basis einer Vollzeitstelle. Viele Erzieherinnen und Erzieher kommen derzeit unfreiwillig höchstens auf einen Stundenanteil von 80 % – was dann ein Bruttoeinstiegsgehalt von rund 1.894 € bedeutet.

Ziel der Erzieher_innen ist eine künftige Eingruppierung nach S 8. Danach werden derzeit u.a. Erzieher_innen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Beschäftigte eingruppiert, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben, mit besonders schwierigen fachlichen Tätigkeiten“. Das bedeutet ein Anfangsgehalt von 2.478,17 € (also gerade mal 111,49 € Brutto mehr) und ein Endgehalt von 3.732,33 € (also 443,27 € mehr) bzw. in der Stufe 4 ein Gehalt von 3.198,33 € (= 251,87 € mehr).

Das heißt, für die Mehrzahl der Beschäftigten bedeutet eine Höhergruppierung um zwei Stufen eine Gehaltserhöhung von weniger als 10% (Stufe 1 um 4,71 %, Stufe 4 um 8,55 %). Den Erzieher_innen geht es dabei nicht nur um mehr Geld, sondern um die Anerkennung des Umstandes, dass ihre Arbeit inzwischen deutlich anspruchsvoller geworden ist,  als bei der Definition von S 6 vorausgesetzt.

Ihnen ist sicher bekannt, dass die meisten Eltern Verständnis für die Forderungen und dem Bekräftigen durch Streik haben, mich eingeschlossen.

Zur Kenntnis haben wir genommen, dass der VkA anscheinend das Subsidiaritätsgebot des SGB VIII nutzt, um die Mitgliedskommunen anzuhalten,  die Einkommen für das Personal durch Vergabe an freie Träger zu senken. Dies ist eindeutig ein Missbrauch des Subsidiaritätsgebotes zu Lasten des Personals und zu Lasten der freien Träger der Jugendhilfe. Wir werden diese offensichtlich bereits geübte Praxis in die Jugendhilfeausschüsse einbringen und auch der obersten Landesjugendbehörde mitteilen.

Weiterhin empfehlen wir Eltern, Einspruch gegen die Gebührenbescheide zu erheben und die Gebühren für die Streiktage zurückzufordern, denn immerhin erspart der Träger (hier die Kommune) für die Streiktage bei den streikenden Erzieher_innen das Gehalt.

Zudem führen Sie an, dass mit einer Gebührenerhöhung von ca. 20% für Eltern zu rechnen sei. Dies halte ich ausdrücklich für Panikmache und den Versuch die Solidarität der Eltern mit den Erzieher_innen zu spalten! Wie Sie meiner Argumentation bereits entnehmen konnten, wird es keine Steigerung der Kosten von 20% geben und somit ist die Androhung einer derartig hohen Gebührensteigerung mit nichts zu begründen. Ich bitte Sie eindringlich, zukünftig nicht weiter mit den Ängsten und Sorgen der Thüringer Eltern zu spielen!

Wir Eltern fordern Sie hiermit nochmals auf, den  Erzieher_innen ein angemessenes Angebot zu unterbreiten und an den Verhandlungstisch zurückzukehren.

 

Mit freundlichem Gruß

Sandy Kirchner
Vorsitzende der Landeselternvertretung für Kindertagesstätten in Thüringen

 

PS: Das Schreiben der KAV finden Sie hier:

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