Fachtagung Workshop 5 – Inklusion

Fachtagung „Billige Kitas mit bester Qualität?“ am 8. Februar 2014, FH Erfurt

Workshop 5: Inklusion auf Teufel komm raus – Fluch oder Segen?

Moderation: Bettina Löbl
Gesprächspartner: Prof. Dr. Roland Merten, Staatssekretär TMBWK, Dr. Henry Kreikenbom
Protokoll: Bettina Löbl

 

Das Anliegen:

Inklusion als zentraler Gedanke der UN-Behindertenrechtskonvention geht die gesamte Gesellschaft an. Auch Kindertageseinrichtungen dürfen sich dieser Idee nicht verschließen. Die Veränderungen im § 7 Thür.KitaG leiteten in Thüringen einen Paradigmenwechsel ein. Seit 2010 gilt, dass die gemeinsame Förderung von Kindern mit und ohne Behinderung in allen Kindertageseinrichtungen – vorrangig in Regeleinrichtungen erfolgt. Nur wenn eine dem Bedarf entsprechende Förderung nicht gewährleistet werden kann, sollen Kinder mit Behinderungen in Integrative Einrichtungen aufgenommen werden.

Es stellen sich Fragen wie:

Sind Regeleinrichtungen wirklich optimal für Kinder mit Behinderungen? Was bedeutet das für die räumliche, sächliche und personelle Ausstattung der Kitas? Was brauchen die Regeleinrichtungen um behinderte Kinder dem Bedarf entsprechend betreuen zu können? Was brauchen Kinder mit Behinderung? Was brauchen Eltern / Familien behinderter Kinder? Haben es Eltern heute leichter einen Platz für ihr behindertes Kind in einer Regeleinrichtung zu bekommen. Wie reagieren Eltern „gesunder“ Kinder auf Kinder mit Behinderung in Regeleinrichtungen? Brauchen wir perspektivisch noch intergrative Kitas und Frühförderstellen?

Teilnehmerkreis: Kita-Leiterinnen, ErzieherInnen, Kita-Träger, LandesfachberaterInnen, FachberaterInnen (komm./freie Träger), Sonderpädagogen, Frühförderstellen

Die Ergebnisse

Prof. Dr. Merten

  • Noch stehen wir in Thüringen am Anfang eines langen Prozesses auf dem Weg zur Umsetzung des § 7 ThürKitaG.
  • Es geht voran, aber nicht immer schnell genug.
  • Mit Inklusion kann man nicht sparen und will man auch nicht.
  • Durch das TMBWK wird es keine Vorgabe geben, wie intergrative Kitas zukünftig heißen sollen / bzw. welche Einrichtungsform sie sein sollen.
  • Der Ansatz in einer Kindergruppe dürfen nicht mehr als 25 % Kinder mit besonderem Förderbedarf sein, wird nicht haltbar sein. Es geht um eine bedarfsentsprechende Förderung.
  • Ein Problem für die Fachkräfte stellen die immer höher werdenden Ansprüche von Eltern mit immer mehr Forderungen nach Mitsprache in den Kitas dar.
  • TMBWK will zeitnah einen Sonderpädagogischen Lehrstuhl einrichten um Professionalisierung und Akademisierung voranzutreiben.
  • Inklusion bezieht sich nicht nur auf Kinder mit Behinderungen sondern bezieht sich auf alle Kinder und impliziert eine individuelle Förderung jedes Kindes.

 

Dr. Henry Kreikenbom:

  • Der Weg zum Ziel muss genau beschrieben und kurz- bzw. mittelfristige Maßnahmen geschildert werden.
  • Es muss geklärt werden, welche (weiteren) gesetzlichen Änderungen notwendig sind, welche Adressaten und Zuständigkeiten zusammen geführt werden müssen.
  • Integrative Einrichtungen werden auch zukünftig ihre Berechtigung haben. Es muss eine breite Definition von Behinderung geben und eine Klärung erfolgen wo die Grenzen sind – welches Kind soll in eine Regelkita, welches in eine integrative Kita gehen.

 

Weitere Aussagen von WorkshopteilnehmerInnen:

  • Der Prozess der Inklusion braucht eine intensive Begleitung. Die Kitas dürfen damit nicht allein gelassen werden.
  • Die Unterstützung durch die zuständigen Fachämter ist zwingend erforderlich.
  • Gesamtgesellschaftlich sind Haltungsänderungen notwendig. Jedes Kind braucht individuelle Förderung. Jeder muss so akzeptiert werden, wie er ist.
  • Thema Inklusion gehört zukünftig in die Ausbildung aller sozialen Berufe.
  • Ein Problem ist das zunehmende Fehlen von gut ausgebildeten, geeigneten Fachkräften.
  • Wir brauchen in Kitas multiprofessionelle Teams, die per Fallbesprechung konkrete Förderbedarfe für jedes Kind beschreiben.
  • Jeder muss sich selbst auf den Weg machen und mit Inklusion beginnen und darf nicht darauf warten, dass es andere machen.
  • Es muss eine schnellere Gutachtenererstellung durch Amtsärzte und eine schnellere Bewilligung durch Sozialämter erfolgen. Oft ist der einzelne Sachberarbeiter das Problem, der Akten nicht zügig bearbeitet.
  • Wir brauchen eine bessere Vernetzung / Zusammenarbeit von ErzieherInnen, Ärzten, Frühförderstellen, zuständigen Ämtern und Eltern. Dabei stellt der Datenschutz immer wieder eine große Herausforderung dar im Interesses des Kindes handeln zu können.
  • Es müssen gute Grundlagen für einen gelingenden Übergang von einer Institution zur anderen geschaffen werden. Familien – Kita/Tagesmutter – Grundschulen …
  • Es muss geklärt werden, welche Perspektiven Integrative Kitas und Frühförderstellen haben.
  • Die barrierefreie Sanierung vieler Kitas ist sehr kostenaufwendig und oft ein großes Problem.
  • Die Einordnung der Leistungstypen nach Landesrahmenvertrag muss überarbeitet werden.
  • Die Bezahlung der Fachleistungsstunden für Fachkräfte für Kinder mit erhöhtem Förderbedarf muss den Anforderungen an die Qualifikation der Fachkräfte angepasst werden.
  • Alle sind sich einig: das Ziel ist richtig, nur über den Weg muss immer wieder diskutiert werden. Man muss schauen, wo es schneller gehen kann und wo auf die Bremse getreten werden muss.